Eigentlich zahlen die Deutschen ja gerne Steuern, und die Grundsteuer ist eine der unbedeutendsten im Bundesgebiet. Mit gerade einmal 15 der über 900 Milliarden Euro, die der Staat jedes Jahr von Bürgern und Unternehmen einfordert, ist es erstaunlich, wie viele negative Emotionen sie hervorruft.

Ich denke, es ist ihr hochbürokratisches, unsoziales und unfaires Wesen, das sie so unbeliebt hat werden lassen. Dazu fällt ihren zahlreichen Befürwortern in der Bundespolitik auch kein vernünftiges Argument zu ihrem Erhalt ein – außer dem technokratischen Argument, dass es sie schon sehr lange gibt und dass sie neben der Gewerbesteuer das einzige Instrument ist, bei dem die Kommunen über Hebesätze selbst etwas gestalten können.

Ich weiß schon, dass viele Deutsche echte Veränderungen tendenziell ablehnen – die „German Angst" geht hier bis in die höchsten Etagen der Republik. Die Befürworter haben es zudem geschafft, ihre unsoziale Natur argumentativ umzukehren, da zumindest in der Theorie wohlhabende Menschen in teureren Wohnungen oder Häusern leben und somit auch mehr zahlen müssen.

Dennoch ist es nach meinem Dafürhalten absolut geboten, dieses Monstrum endlich abzuschaffen.

Meine Argumente versuche ich möglichst bundeslandunabhängig zu formulieren, wohl wissend, dass die Argumente je nach Verfahren mehr oder weniger greifen. Sei es das Ertragswerteverfahren des Bundesmodells, das modifizierte Bodenwertmodell aus meinem Heimatland Baden-Württemberg, das reine Flächenmodell in Bayern, das modifizierte Flächenmodell aus Hamburg “Wohnlagenmodell” oder die übrigen Äquivalenzmodelle der weiteren Bundesländer.

Die Grundprobleme der Grundsteuer kann keines der Modelle beheben, obwohl manche sicher besser sind als andere. Das Bundesmodell aus der Feder des damaligen Finanzministers Olaf Scholz scheint das Schlechteste zu sein, da es versucht besonders genau zu sein und damit wie so oft besonders fehleranfällig und willkührlich ist. Es verwundert daher nicht, dass hier die meisten Einsprüche und Klagen anhängig sind.

Nun zu meinen Argumenten.

Die Grundsteuer ist ein Bürokratiemonster

Es ist gar nicht so einfach, die tatsächlichen Kosten zu ermitteln. Die Reform erforderte eine Neubewertung von ca. 36 Mio. Grundstücken und wirtschaftlichen Einheiten und war damit eine echte Mammutaufgabe für Immobilieneigentümer, Finanzverwaltung und den Berufsstand der Steuerberater.

Eine Untersuchung geht hier von einer Bandbreite von 3,84 Mrd. € bis 6,88 Mrd. € im Hauptfeststellungszeitraum von 2022 bis 2028 aus. Das ist das 3,5-fache bis 6,3-fache des 2019 durch den Nationalen Normenkontrollrat (NKR) ermittelten Erfüllungsaufwands und zeigt, wie sehr der Aufwand seinerzeit unterschätzt wurde. Die zahllosen Schlagzeilen in den Erfassungsjahren und die zeitweise Überlastung der Finanzämter spiegeln das wider.

Was dabei überhaupt nicht berücksichtigt wurde: Ein so komplexes Verfahren, dessen Gerechtigkeit für den Einzelnen zudem mehr als nur fragwürdig ist, zieht auch eine Vielzahl an Einspruchs- und Gerichtsverfahren nach sich. Diese gewaltige Belastung unserer Justiz ist nicht nur teuer, sondern lenkt unsere Gerichte auch von wichtigeren Themen ab. Allein in NRW gab es bereits mehr als eine Million Ensprüche, dazu 90 Klagen, wobei wir bei denen sicher noch ganz am Anfang sind.

Die Grundsteuer ist unsozial und ungerecht

Wie so oft in Deutschland war die Idee, ein gerechteres System zu schaffen. Da die Grundsteuer aber einkommens- und vermögensunabhängig erhoben wird, ist sie grundsätzlich in ihrem Wesenskern unsozial. Eine Familie muss wegen ihrer größeren Wohnung mehr Grundsteuer zahlen als der gut verdienende Single nebenan. Eine Rentnerin, die von der Grundrente leben muss und nur deshalb zurechtkommt, weil sie im Eigenheim wohnt, das ihr Mann und sie vor Jahrzehnten errichtet haben, muss hingegen gewaltig zahlen – und möglicherweise ihr Haus verkaufen.

Die Grundsteuer als Substanzbesteuerung benachteiligt auch diejenigen, die Vermögen über eine Immobilie aufbauen wollen, da es keine vergleichbare Besteuerung von Geld- oder Wertpapiervermögen gibt. Gerade Familien und Menschen mit geringerem Einkommen wählen aber gerne den Vermögensaufbau mit der selbst genutzten Wohnimmobilie.

Am problematischsten ist aber nach meinem Dafürhalten, dass aufgrund der Komplexität und der Willkür des Systems, in dem Werte von Ämtern und Ausschüssen festgelegt werden, viele gute Gründe bestehen, dagegen vorzugehen. Ich komme darauf noch zurück, aber Fakt ist: Ein Einspruch – sei es durch eigene Gutachten oder anwaltliche Vertretung – kostet Geld, das viele Menschen sich nicht leisten können. Dies stellt eine Hemmschwelle für einkommensschwache Familien dar, zu ihrem Recht zu kommen. Dazu haben viele Menschen auch eine natürliche Hemmschwelle gegen den Staat Rechtsmittel einzulegen.

Die Grundsteuer setzt Bürger und Unternehmen der staatlichen Willkür aus

Damit kommen wir zu dem Problem von Verfahren, bei denen Werte eine Rolle spielen. So werden zum Beispiel in Baden-Württemberg Bodenrichtwerte von Gutachterausschüssen verwendet. Zwar behauptet das Land natürlich, dass es keine Willkür gibt, empfiehlt aber gleichzeitig, auf die Ausschüsse zuzugehen, wenn „Klärungsbedarf besteht". Darüber hinaus können Eigentümer jederzeit „ein Gutachten anfertigen und die Bodenrichtwerte überprüfen lassen".

Das sind natürlich Widersprüche in sich – ein System ohne Willkür müsste weder geklärt werden, noch wären eigene Gutachten notwendig. Man stelle sich vor, wenn man Einkommensteuer auf Grundlage eines Betrages zahlen müsste, den Gutachter sich ausgedacht haben. Es spielt keine Rolle wie gründlich die Gutachter arbeiten, es bleibt immer ein subjektiver Wert.

Andere Verfahren wie das Bundesmodell treiben noch schlimmere Blüten, wo für die Wertfeststellung auch mal Mieten angesetzt wurden, die überhaupt nicht zu erzielen sind – unter anderem auch wegen der Mietpreisbremse. Das muss man sich mal vorstellen: Der Staat besteuert auf Basis von Mieten, die gar nicht gezahlt werden, weil der Staat die Mieten begrenzt.

Das Grundproblem bleibt: Anders als bei modernen Steuersystemen wie der Einkommensteuer, wo das zu besteuernde Einkommen klar ist, haben wir hier ein System, in dem ein Amt oder ein Gutachter etwas festlegt. Dabei werden bewusst oder unbewusst Fehler gemacht.

Das wird als Willkür empfunden und ist unsozial, da die vorhandenen Rechtsmittel in der Praxis vielen Teilen der Bevölkerung nicht zur Verfügung stehen – sei es aus Bildungs- oder Geldmangel oder einfach nur wegen einer generellen Hemmschwelle, in den Streit zu gehen.

Die Grundsteuer ist ökologischer Unfug

Für die Bundesländer, in denen der Wert des Objektes eine Rolle in der Berechnung spielt, kommen wir in die absurde Situation, dass energetische Sanierungen zu einer Erhöhung der Berechnungsgrundlage für die Grundsteuer führen. Das ist konträr zu unseren Klimaschutzzielen.

Fazit

Die Grundsteuer ist als einkommensunabhängige Substanzbesteuerung generell unsozial, setzt die Bürger in den meisten Bundesländern einer zumindest empfundenen Willkür aus, belastet unser Justizsystem und unsere öffentliche Verwaltung und ist in ihrer Sperrigkeit sicher mit auch ein Grund für die zunehmende Staats- und Demokratieverdrossenheit.

Wenn wir das mit ihrem doch recht geringen Aufkommen kombinieren, spricht eigentlich nichts dafür, sie weiter zu erheben.

Eine sozial tragbare, transparente, für die Betroffenen nachvollziehbare – und damit für Eigentümer wie Mieter gerechte Besteuerung – ist offenkundig schwer zu erreichen. Deswegen sollten wie die Grundsteuer konsequent abschaffen!

Es wird oft diskutiert, ob alternativ die Kommunen ein Hebesatzrecht auf die Einkommensteuer und Körperschaftsteuer erhalten. Ich halte das auch schon wieder für zu kompliziert. Vermutlich wäre der bessere Weg, den Kommunen einen größeren Anteil an Einkommens-, Abgeltungs- und Umsatzsteuer zu gewähren.

Zudem sollten die Kommunen vom Bundestag mit weniger Pflichtaufgaben überschüttet werden, damit die Städte und Gemeinden mehr Flexibilität bei den Ausgaben bekommen – anstelle der theoretischen Flexibilität der Grundsteuerhebesätze, da die Grundsteuer ohnehin nur noch einen geringen Anteil hat. In Baden-Württemberg lag sie 2016 noch bei 12%.

Flexibilität bei den Ausgaben statt bei den Einnahmen – das wäre für Deutschland doch mal ein erfrischender Ansatz.